Christine im Interview: über Schauspiel & Regie
Annekathrin Walther im Gespräch mit Christine Kostropetsch
Gibt es bestimmte Schauspielmethoden, mit denen du bevorzugt arbeitest?
Es gibt viele Methoden z.B. von Strasberg, Tschechow, Uta Hagen, Stella Adler, Meisner usw., die ich gut kenne, und auch verwende je nach Bedarf – aber ich habe über die Jahre meine ganz eigene entwickelt. Und das beginnt beim Gespräch, über Vertrauen, wirkliches, tatsächliches, tiefes Interesse am Menschen, der vor mir sitzt. Wenn man denen wirklich in die Augen schaut und sie sehr ernst nimmt, sie zulässt, bekommt man sehr viel von den Menschen. Tiefes Mitgefühl und sehr ernstes Interesse an den Menschen ist die Grundlage meiner Methode. Und dann natürlich das ganze Handwerkliche von der Script-Analyse bis zum mentalen Vorbereiten des Vorsprechens. Was macht mich stark? Wovor habe ich Angst? Was nehme ich mir selbst vor? Zum Beispiel: wirkliche Kontaktaufnahme zu den Menschen, denen ich mich zeige. Oder, ganz wichtig, ich lasse mir meine Zeit, schaue mir den Raum erstmal an, nehme die Menschen wahr, atme und beginne so ruhig wie es nur geht. Auf all das lege ich großen Wert bei meinem Unterricht.
Schauspiel ist eine sehr körperliche Arbeit. Wie soll man sich fit halten und wieviel Fitness braucht man grundsätzlich, um Schauspieler zu werden und zu sein?
Körperliche Arbeit ist etwas, was ich als ganz besonders wichtig empfinde. Ich finde man sollte Tanzunterricht nehmen, Körperarbeit von Feldenkrais bis Pilates oder Capoeira, alle Arten von Kampfkünsten sind hilfreich. Man sollte seinen Körper sehr genau kennen und auch ständig weiterbilden. Man muss ein Gefühl für sich entwickeln – wo liegen meine Blockaden, meine Spannungen. Das bekommt man über die Körperarbeit mit.
Ich ärgere mich z.B. über Schauspieler, die nichts mehr für sich tun. Nimm Gesangsunterricht, ab und zu mal wieder einen Sprecherzieher – das ist selbst als gestandener Schauspieler ganz wichtig. Ein Jodelkurs ist auch fantastisch für die Stimme. Man kann auch Fußball spielen, egal was, grundsätzlich ist für mich Körperarbeit das allerwichtigste für einen Schauspieler.
Das machen viele Schauspieler aber nicht mehr – ich empfinde das einfach als Faulheit. Auch ich bilde mich ständig weiter, ob ich Salsa lerne oder Orientalische Tanzkurse nehme und gebe, dann die Workshops bei anderen Schauspielcoaches, wie z.B. Larry Moss oder Susan Batson, oder therapeutische Weiterbildungen jedweder Art.
Was bedeutet der Schauspielberuf für dich?
Der Schauspielerberuf ist ein therapeutischer, heilender Beruf. Wir müssen wissen, warum wir eigentlich Schauspieler werden, dass wir also Träger eines Inhalts sind oder Träger eines sehr interessanten Stückes, einer Geschichte, einer Botschaft wie z.B.: ‚Bitte mach es nicht so….’, oder ‚Schau mal was passiert, wenn….’. Wir können spielerisch sagen: ‚Wenn ich das machen würde, dann passiert das.’ Der Zuschauer sieht die Konsequenzen eben, aber erleidet sie nicht selber. Das ist für mich der Beruf und das ist eigentlich eben medizinisch.
Und deswegen sollte man sich meiner Meinung nach mit vielen Sachen auch auskennen – im therapeutischen Bereich, von Homöopathie bis Schulmedizin; sich eine Meinung bilden, auch politisch und geschichtlich. Das ist sehr wichtig. Und künstlerisch: was ist unsere Tradition, wer war gut, wer gefällt mir heute, viel sehen im Theater und natürlich Filme. Ich zum Beispiel habe sehr viel über künstlerische Prozesse durch das Studium der Filme von John Cassavetes gelernt. Das machen viele Schauspieler aber gar nicht. Aber das unterscheidet große Künstler von mittelmäßigen.
Museumsbesuche sind ebenfalls wichtig, oder Kunstbände. Sich zu informieren, auch in der bildenden Kunst, denn du musst dich immer auch mit Räumen, Farben und Kostümen auseinandersetzen. Es kann z.B. sein, dass der Schauspieler ein grünes Kostüm bekommt und weiß, das stimmt nicht. Das ist ein Riesenproblem. Und das sollte er auch diskutieren können. Es kann z.B. sein, dass die Farbe nicht passt. Dass die Farbe ihn behindert, oder bestärkt. Welches Schuhwerk habe ich an? All das ist wichtig.
Was hältst du von einer staatlichen Schauspiel-Ausbildung?
Das kommt auf den Menschen an. Ich z.B. habe mir in meiner Ausbildung damals meine Lehrer und Fächer selbst ausgewählt. Die staatlichen Schulen dagegen geben Dir das System und die Lehrerauswahl vor.
Ich bereite viele meiner Schüler auf staatliche Schulen vor. Ich versuche ihnen klar zu machen, dass sie, wenn sie dort ihren Abschluss machen wollen, diesen Lehrern folgen müssen. Aber sie sollen sich auch ihres bewahren und es sich bewusst merken, wenn sie etwas nicht richtig finden. Ruhig auch mal in den Widerstand gehen, aber nicht nur – denn sonst kommt man nicht an diesen Abschluss. Sonst rebelliert man sinnlos gegen seine Lehrer.
Ich bringe meinen Schülern bei, wie man sich auf der Probe und in der Aufführung selbst zu verhalten hat. Der Umgang mit Regisseuren und Kollegen, wichtige Sachen wie Hierarchieketten. Was ist hilfreich, was ist ungünstig. Und deswegen sind meine Schüler im Zwischenmenschlichen und Kommunikativen sehr gut ausgebildet.
Was bedeutet Regie für dich? Was interessiert dich an dieser Arbeit?
Das erste, was ich glaube, was wichtig ist, ist, dass du als Regisseur selber eine Vision hast und eine Motivation, warum du genau das tust. Was mich fasziniert sind Menschen an und für sich. Die erste Motivation ist, dass ich ein Mensch bin, der Menschen liebt und in Gemeinschaft denkt.
Mich interessiert der Bruch, das Drama, aber auch die Schönheit. Und das kriegst du nur, wenn die Spieler sich dir anvertrauen können, wenn die wissen: Christine hält mich, die fängt mich auf. Führung heißt für mich in allererster Linie, einen Raum des Vertrauens zu schaffen. Das heißt, ich möchte von den Leuten ihr Innerstes, weil mich das nur interessiert. Oberfläche interessiert mich gar nicht mehr. Und wenn ich das Innerste möchte, dann muss ich entweder bereit sein, auch mein Innerstes zu geben oder ich muss denen eben vermitteln: ihr seid aufgehoben.
Wie arbeitest du als Regisseurin?
Theater ist Prozess. Ich arbeite gern mit Improvisationen – und die müssen zum Tragen kommen, so gut es geht. Denn wenn ich einen Raum schaffen kann, dass Leute mir etwas geben und ich nehme das dann nicht, dann handelt es sich um ein zurückgewiesenes Geschenk und das hat keinen Sinn.
Ich empfinde mich immer mehr als Diener des Stückes, also dass ich mich inspirieren lassen will, und den Prozess begleiten, in dem sich diese Gruppierung von fremden Menschen jeweils befindet. Und das finde ich in der Summe viel interessanter als mein eigenes Konzept, weil die Menschen einfach interessanter sind. Ich sehe mich da als Vermittlerin. Ich gebe dabei den Rahmen vor: da ist was, es interessiert mich, ich bin da – wer kommt. Und was bringt ihr mir. Und das muss man erkennen können.
Ich hab viel inszeniert und wenn ich nichts zu sagen habe, dann weiß ich, der Prozess ist nach innen zu gehen, mit mir selbst was zu klären oder meine Kinder zu erziehen. Und das machen viele Regisseure nicht, weil sie denken, sie können es sich nicht leisten, mal abseits aufzutanken. Und immer wieder neu die Welt zu überdenken.